Dienstag, 17. Januar 2012

Stille Nacht, heilige Nacht?


Was bedeutet Weihnachten?

Kindergeschrei, durcheinander laufende Menschen, jeder ist in Eile, alle laufen stur und blind für alles andere ihrem Ziel entgegen, ein Weihnachtsmann mit plastik-glänzendem weißen Bart steht an einer Straßenecke und wirbt für das ultimative Super-Weihnachtssonderangebot – es ist Heiligabend. Schnell noch die letzten Geschenke einkaufen und den armen Verkäuferinnen ein mitleidiges Lächeln schenken, hier noch die Floskel „Frohe Weihnachten und einen guten Rutsch ins neue Jahr“ anbringen und ab nach Hause.
Dort geht es dann weiter, Weihnachtsbaum schmücken, Geschenke einpacken, fix in die Kirche – einmal im Jahr muss das ja schließlich sein –, Stolle essen und Kaffee trinken. Manche sollen dann tatsächlich noch ein wenig Zeit für einen besinnlichen Spaziergang durch die beleuchteten Straßen finden, denn das ist Weihnachten ja auch noch: Das Fest der Liebe. Wenn man dann wieder zu Hause ist, wartet die gesamte Familie ungeduldig auf das Essen und natürlich auf die Bescherung. Zum Abendbrot gibt es das typische altberlinerische Weihnachtsessen, Kartoffelsalat und Würstchen, der Tradition wegen und weil es möglichst schnell gehen soll.
Doch was ist denn nun Weihnachten eigentlich genau? Ein Fest der Traditionen, das Fest der Liebe, Jesus Christus’ Geburtstag, der Tag des großen Familienstreits, die Zeit der großen Umsätze, der Überstunden, des Kommerzes, der Tag der Ruhe und Gelassenheit, des Friedens, kurz, der heilige Tag. Da hat sich ja jemand etwas Feines ausgedacht, ein Tag, der  so vielen Eigenschaften gerecht werden soll? Hallelujah!


Für Einige bedeutet die Weihnachtszeit den großen Gewinn des Jahres. Kaufhäuser, aber auch kleinere Läden, verkaufen in den Tagen vor Weihnachten meist mehr als sonst in einem ganzen Monat. Dies hat jedoch auch erhöhte Arbeitszeiten zur Folge. Verkäuferinnen schieben „Adventssonntag-Schichten“ und bleiben nach Ladenschluss Stunden länger, um die Abrechnung zu machen. Studenten verdienen sich eine Kleinigkeit dazu und werden eine Nacht lang zum waschechten Weihnachtsmann bei „Heinzelmännchen“. Budenbesitzer können endlich ihre selbstgebastelten Kleinigkeiten anpreisen. In Berlin haben sie sogar auf rund fünfzig verschiedenen Weihnachtsmärkten - vom kleinen, niedlichen Schwedischen Weihnachtsmarkt über den Rixdorfer Weihnachtsmarkt bis zum lauten Weihnachtsmarkt am Alexanderplatz - die Chance dazu. Pfarrer haben einmal im Jahr, und das sogar gleich mehrmals am Tag, die Möglichkeit, ihre Predigt in einer bis zur letzten Reihe gefüllten Kirche zu halten. Hilfsorganisationen erhalten eine größere Spendensumme, da viele versuchen, über die Kollekte die gute Tat des Jahres zu leisten. Nachbarn, Freunde, Verwandte, egal welchen Alters oder welcher Herkunft, egal ob christlich oder nicht, sitzen beisammen und feiern gemeinsam ein Fest der Freude. An Weihnachten muss man nicht in der Dunkelheit nach Hause gehen, denn Hunderte leuchtende Lichterketten, und bestenfalls eine glänzende Schneedecke, erhellen den grauen Alltag. Es duftet nach Zimt und Tanne, nach Nelken und Bratäpfeln.
Eigentlich ist Weihnachten ein christliches, religiöses Fest in Gedenken an Jesus Christus, der in der Heiligen Nacht vor 2011 Jahren von der Jungfrau Maria in einem kleinen Stall zur Welt gebracht wurde. Gerade im Gedenken an den wahren Grund des Weihnachtsfestes wird es umso absurder zu begreifen, wie wir heutzutage diesen Tag begehen. Bei Vielen gibt es den fetten Gänsebraten und tausende Geschenke - nur so kann man also heute glücklich sein. Im Vergleich hierzu brauchten Maria, Josef und der kleine Heiland nur einen Stall mit etwas Stroh und wärmenden Tieren, um ihr Glück zu finden.
Vielleicht sollten wir uns am Heiligen Abend auf das besinnen, was der Tag wirklich vermitteln sollte: Das Glück, eine Familie zu haben und in einer warmen Wohnung zu sitzen und das Glück, etwas Essbares im Hause zu haben.
Vielleicht sollte man am Heiligen Abend an die denken, die dieses Glück nicht verspüren dürfen, an die, die arbeiten müssen, an die, die draußen in der Kälte sind, an die, die aus ihrer Heimat vertrieben wurden und an die, die allein sind.
Vielleicht sollten wir uns an Weihnachten dessen gegenwärtig werden, was wirklich wichtig für uns ist, nämlich die Kraft für ein neues Jahr zu finden und die stille und heilige Nacht zu genießen.
Denn schließlich darf zu Weihnachten nur einer seinen Hauptarbeitstag haben und in Eile sein – der Weihnachtsmann. Lassen wir es ihm vergönnt sein, die Hauptfigur dieser Zeit darzustellen, lassen wir ihn die Arbeit machen und uns einfach mal zurücklehnen, denn Weihnachten sollte eines auf jeden Fall sein: das Fest der Erholung und Ruhe. Frohe Weihnachten!

Artikel und Fotos: Lisa von Schwander


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