Samstag, 17. November 2012

Pussys gegen Putin

Pussys gegen Putin

 

Ist das Urteil über Pussy Riot gerechtfertigt?


„Mutter Gottes, Jungfrau, vertreibe Putin, vertreibe Putin, vertreibe Putin!“ Dies sind die ersten Verseeines Punk-Bittgottesdienstes, der, verbunden mit der ihm zugehörigen Protestaktion junger Musikerinnen in Moskau, für monatelangen Aufruhr in der westlichen Medienwelt sorgte. Die Urheberinnen dieses verstärkten Interesses sind die etwa zehn Mitglieder der 2011 gegründeten, feministischen Punkband „Pussy Riot“, die in ihrer Musik vordergründig die russische Regierung und die Zustände in ihrem Land kritisieren und zu diesem Zweck oftmals mit Sturmhauben und in grellen Farben bekleidet den unangekündigten Auftritt an öffentlichen Plätzen nutzen . So auch am 21.Februar 2012, als sie während der besagten Protestaktion vor dem Altar der„Christ-Erlöser-Kathedrale“, dem zentralen Gotteshaus der russisch-orthodoxen Kirche in Moskau, unbefugt ein Punkgebet gegen die Vertreter derselben sowie gegen Russlands Ministerpräsident Wladimir Putin hielten. „Kirchliches Lob für die verfaulten Führer“, „Göttlicher Dreck, Dreck, Dreck! Göttlicher Dreck, Dreck, Dreck!“ Infolge der Aktion wurden Nadeschda Tolokonnikowa, Marija Aljochina und Jekaterina Samuzewitsch verhaftet, in Untersuchungshaft gebracht und im Juli wegen „Rowdytums“angeklagt. Das Urteil fiel am 17. August 2012: Alle drei Inhaftierten wurden wegen „Rowdytums aus religiösem Hass“ zu je zwei Jahren Straflager zusätzlich zu den bereits sechs in Untersuchungshaft verbrachten Monaten verurteilt. Am 27. August legten Tolokonnikowa, Aljochina und Samuzewitsch Berufung ein. Die Sängerin Marija Aljochina hatte im Schlusswort vor dem Urteil erklärt: „Wir sind nicht schuldig, davon spricht die ganze Welt. Sie spricht davon auf Konzerten, im Internet, in der Presse. Und sie spricht davon in Parlamenten. Nachdem ich fast ein halbes Jahr im Untersuchungsgefängnis verbracht habe, ist mir klargeworden, dass das Gefängnis Russland im Miniaturmaßstab ist.“Weiterhin gaben die drei Frauen an, ihre Aktion in keiner Weise zu bereuen. Sie entschuldigten sich jedoch bei den Gläubigen, da sie die Religion angeblich nicht hatten angreifen wollen. Eine die Regierung stürzende und die Verhältnisse verändernde Revolution in Russland sei aber unumgänglich.

 

Sie bereuen ihre Aktion in keiner Weise

In der Tat sind die Meinungen um den „Pussy-Riot-Prozess“ geteilt. Der Menschenrechtsbeauftragte Russlands kritisierte das Urteil als zu hart, die Menschenrechtsorganisation Amnesty International befand bereits die Inhaftierung als ungerechtfertigt. In den Medien verbreitete sich schnell die Auffassung, die Aktivistinnen seien Opfer von Putins Regierung geworden, Russland benutze sie als abschreckendes Beispiel in eigener Sache, um weitere Proteste zu unterdrücken. Auch das Weiße Haus sprach sich deutlich gegen das Urteil aus und Angela Merkel erklärte, es entspräche in keiner Weise den europäischen Werten von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie, derer sich Russland verpflichtet habe. Putin selbst äußerte sich während des Prozesses insofern, dass er sagte, die Bestrafung solle nicht zu hart ausfallen.

 

Putin selbst sprach sich gegen eine harte Bestrafung aus 

Im Gegenzug kam es zu scharfer Kritik an den westlichen Medien, sie würden die Situation nicht neutral genug übermitteln, die Aktivistinnen würden zu sehr in die Opferrolle fallen, während Putin und seine Regierung zu negativ dargestellt würden. Außerdem sei es unglaubwürdig, dass die Sängerinnen die Konsequenzen ihres Handelns nicht hatten voraussehen können, da sie als Russinnen hätten wissen können, wie sehr die Kirche in der Bevölkerung als fester Bestandteil des Staates und der russischen Identität angesehen wird. Eine Aktion in der Kirche stelle die größtmögliche Provokation dar. Vorherige Protestaktionen gegen Putin an anderen Schauplätzen seien nicht bestraft worden. Die russische Bevölkerung nahm das Urteil einer Umfrage nach hauptsächlich positiv auf. Mehr als die Hälfte der Befragten glaubten an die Objektivität des Gerichtsprozesses. Eine gerechte Beurteilung scheint vor dem Hintergrund der genannten Aspekte schwer. Die Meinungsfreiheit ist in Europa ein hohes Gut, dessen Erhalt sehr wichtig ist. Zwei Jahre Arbeitslager für die jungen Frauen, von denen zwei Mütter sind, sind also sehr hart berechnet, in Deutschland hätten die Aktivistinnen mit einer Geldstrafe rechnen müssen. Es bleibt abzuwarten, welches Ergebnis die Berufung bringt, fest steht, dass die Öffentlichkeit durch die Protestaktion weit über die Landesgrenzen hinaus aufgerüttelt wurde.
                                                                                                                        Naima Middendorf


                                                           Wer steckt hinter dieser Maske?
(Foto: Naima Middendorf)

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